Dunkle Wege

Kapitel 8 der Fortsetzung von Faith Tochter der Lichten Welt

Zurück in Waldeck

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Als Schwester Dagmar völlig aufgelöst, und ohne anzuklopfen die Tür aufriss, schrak Frau Dr. Kirchheim-Zschiborsky so heftig zusammen, dass ihr die Kanne mit dem frisch aufgebrühten heißen Kaffee fast aus der Hand glitt.

Das freundliche runde Gesicht der Krankenschwester war gerötet und sie atmete schwer.

„Faith, sie ist wieder da. Dr. Schrader ist schon auf dem Weg.  Ich habe angerufen und ihn gebeten sofort herzukommen.“

Langsam kam Schwester Dagmar wieder zu Atem.

“Er muss sie sich ansehen. Noch schläft das Kind. Irgendetwas hat mich geweckt, ich weiß nicht was. Ich bin sofort ins Krankenzimmer gegangen. Es war so als zöge mich etwas dorthin. Es war ganz unheimlich.“

Die Schwester war noch ganz aufgeregt und redete ohne Punkt und Komma.

Jedes Mal, wenn sie sich Sorgen um einen ihrer Schützlinge machte, wurde er in ihren Augen wieder zum Kind.

Die Direktorin wischte hektisch, wortlos und völlig ergebnislos an den Kaffeeflecken auf ihrer Bluse herum, bis sie erkannte, wie sinnlos ihre Aktion war. Ihr Puls raste und sie hatte das Gefühl, gleich selbst einen Arzt zu benötigen.

Frau Dr. Kirchheim-Zschiborsky war eine sehr beherrschte Frau, die normalerweise nichts so schnell aus der Fassung bringen konnte. Aber nach den Vorfällen der letzten Monate waren ihre Nerven noch sehr angegriffen.

„Kommen sie.“

Resolut schob sie die Krankenschwester des Internats hinaus auf den Flur und bemühte sich Ruhe zu bewahren.

Zusammen mit ihr schritt sie den langen Gang unter den kitschigen Stuckengelchen entlang.

 

Endlich, war nun das Letzte ihrer verlorengegangenen Schafe wieder zurück.

Einige der Schüler des Internats, dessen Leiterin sie war, waren über Wochen verschwunden gewesen. Sie hatte sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass es außer ihrer festgefügten realen Welt noch eine Zweite, nicht für jeden wahrnehmbare, gab.

So lächerlich ihr das am Anfang erschienen war, musste sie sich doch eines Besseren belehren lassen. Es gab diese andere Dimension. Eine Spiegelwelt, Parallelwelt, oder „Anderswelt“, wie immer man sie nennen wollte.

In diese „Anderswelt“, waren Faith und einige ihre Freunde gegangen nachdem Faith Vater Robert in der Silvesternacht entführt worden war. Um ihn zu suchen hatten sie sich auf ein gefährliches Abenteuer eingelassen. Jetzt waren sie alle wieder zurück, nur Robert war noch oder besser wieder bei den Feen.

Und Richard? Richard hatte sich bei ihr abgemeldet, um in die Welt aus der er kam heimzukehren.

Er war der Sohn des dunklen Fürsten der Schattenwelt und einer Sterblichen, Agnes.

Wie Faith hatte er seine Wurzeln in beiden Welten.

Noch einen kurzen Moment lang weilten ihre Gedanken bei dem geheimnisvollen Jungen, der so kurz nur ihr Schüler gewesen war.

Ein gut aussehender schlaksiger Junge mit einer ganz besonderen Ausstrahlung, der sich niemand so leicht entzog.

Leicht getönte Haut,  helle  Augen, dichtes dunkles Haar.

Ja, dachte die Direktorin, ein sehr anziehender Junge in den sich Faith verliebt hat.

 

Als Faith die Augen aufschlug, sah sie in zwei besorgte Gesichter.

Zu Hause.

Die Direktorin und Schwester Dagmar waren ihr so vertraut. Am liebsten hätte sie beide umarmt und geküsst. Stattdessen setzte sie ein strahlendes Lächeln auf.

„Wie bin ich…“

Sie stockte und verschluckte die Frage. Keine der beiden Frauen vor ihr konnte wissen wie sie hierhergekommen war.

Sie erinnerte sich an eine feste Umarmung, an das Gefühl zu fliegen. Dann versank alles um sie herum.

Nichts mehr.

Magalie musste sie hierhergebracht haben.

„Robert?“

Unbewusst hatte sie den Namen ihres Vaters laut ausgesprochen.

 

„Er wird wiederkommen. Sei ganz unbesorgt.“

Dr. Dr. Schrader war eingetreten. Er war der Hausarzt des Internats. Er hatte sowohl in Allgemeinmedizin,  als auch in Psychologie promoviert.

Die Direktorin verschluckte sich fast. Überrascht sah sie zu dem grauhaarigen, etwas fülligen Arzt auf.

Robert war, als sie ihn zuletzt gesprochen hatte, verzweifelt gewesen. Soweit sie von ihm selbst wusste, war er dem Tode näher als dem Leben.

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